Pressestimmen zu Exit-Vorschlägen der Leopoldina-Professoren: «Die Ungeduld ist groß»
Die Professoren der Leopoldina raten in der Coronakrise zum schrittweisen Neustart des öffentlichen Lebens. Die meisten Kommentatoren begrüßen das - doch einer findet das Vorgehen "dreist".
"Tagesschau"
Die Wissenschaftler blicken aber auch auf die Schäden, die der Ausnahmezustand in anderen Teilen der Gesellschaft anrichtet. Auf die Gefährdung vieler Wirtschaftsbereiche durch den wegbrechenden Umsatz, oder auf den Stress in den Familien durch die zusätzliche Kinderbetreuung. Der Appell an die Politik lautet deshalb: Wenn die Gesellschaft all das aushalten soll, dann braucht sie eine klare Perspektive, wie lange. Und sie braucht Lockerungen der Auflagen überall da, wo das gefahrlos möglich ist.
Nachvollziehbarkeit ist wichtig bei allen Einschränkungen - und bald auch bei deren schrittweiser Aufhebung. Wenn die kleine Buchhandlung schließen musste und der Weinhändler nebenan offen bleiben durfte, dann hat das auch bisher niemand verstanden. Und es wird Zeit für eine vernünftige Regelung: Wo immer der ausreichende Abstand zwischen den Kunden und zum Personal gewährleistet ist, so heißt es in der Empfehlung der Leopoldina, sollen Geschäfte und auch Gastronomiebetriebe wieder öffnen dürfen. Auch den Publikumsverkehr auf Ämtern und Behörden kann man so gestalten, dass es eine Alternative gibt zum absoluten Shutdown.
"Frankfurter Allgemeine Zeitung"
Die Leopoldina in Halle ist die "Nationale Akademie der Wissenschaften". Es wird in ihr aber nicht geforscht. Sie ist vielmehr eine Versammlung reputierter Professoren, die sich Politikberatung zutrauen. Ihre jüngste Stellungnahme zeigt, was das heißt. Es ist die dritte "Ad-Hoc-Stellungnahme" der Akademie zur Corona-Pandemie.
Ad hoc, das heißt: nicht auf Forschung beruhend. Wie auch anders, denn es gibt gar keine Forschung zu dem, wovon nun die Professoren dreist behaupten, sie hätten einen Begriff davon: die Wiederinbetriebnahme des öffentlichen Lebens. Tatsächlich versammelt ihr Text fast nur Allgemeinplätze, Wertebeschwörungen und wohlfeile Forderungen, die von Theologen, Werkstofftechnikern, Katalyseforschern und Sozialhistorikern unterschrieben worden sind.
"Süddeutsche Zeitung"
Die Ungeduld ist groß und verständlich, die Fragen sind es auch: Wie lässt sich die Gesundheit der Schüler schützen, ihrer Eltern, Großeltern, Lehrer? Haben Abstandsregeln im Klassenzimmer eine Chance? Die Wissenschaftler der Leopoldina raten der Bundesregierung, die Schulen so früh wie möglich wieder zu öffnen. Das ist richtig, aber fast trivial - wann das ist, ist ja genau die Frage. Richtig, aber gar nicht trivial ist dagegen die Anregung, die Klassen schrittweise wieder aufzumachen, und zwar von unten nach oben. Denn je jünger die Kinder, desto weniger hilft die Technik - und desto mehr fehlt die Schule.