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Leopoldina-Vorschläge für Schulen: Realitätsfern?

15 апреля
04:31 2020

Der Vorschlag von Leopoldina-Forschern zu einer schrittweisen Öffnung der Bildungseinrichtungen stößt bei Praktikern auf harsche Kritik. Er wecke "falsche Hoffnungen". Etliche Lehrer sind zudem Risikopatienten.

Seit Mitte März sind Deutschlands Schulen dicht. Dass sie - wie ursprünglich anvisiert - am 20. April, wenn in den meisten Bundesländern die Osterferien vorbei sind, wieder öffnen, gilt als höchst unwahrscheinlich.

Am Mittwoch wollen Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder beraten, ob, wie und wann der Lockdown gelockert werden könnte. Die Kultusminister wollen danach ihren Fahrplan für den Rest des Schuljahres bekannt geben.

Als wichtige Grundlage gilt dabei die Stellungnahme der Akademie der Wissenschaften Leopoldina. Für die Schulen schlagen die Forscher vor, diese "sobald wie irgend möglich" wieder zu öffnen, und zwar schrittweise. Das heißt: Die Schulen kehren nicht direkt zu einem Vollbetrieb zurück, sondern bestimmte Jahrgänge starten zuerst, andere ziehen später nach.

Die Kritik von Lehrkräften und Schülern im Einzelnen

So ein Stufenmodell wird zwar auch von der Mehrheit der Kultusminister und mehreren Lehrerverbänden favorisiert, aber im Detail stößt das Konzept der Leopoldina bei Experten und Betroffenen trotzdem auf massive Kritik. Es wecke "falsche Hoffnungen": Die Bedingungen, die an die schrittweise Aufnahme des Betriebs geknüpft werden, könnten kaum erfüllt werden, kritisiert etwa der Verband Bildung und Erziehung (VBE). Man müsse schon die Realität im Blick behalten.

Im Folgenden finden Sie einen Überblick mit den wichtigsten Eckpunkten der Empfehlung.

Die Gruppengröße: Höchstens 15 Schülerinnen und Schüler sollen in einem Klassenraum sitzen, schlagen die Leopoldina-Forscher vor. Sie sollen zudem nur in diesen Lerngruppen in die Pausen gehen, getrennt von den anderen.

Die Kritik: "Solche Ideen entsprechen einfach nicht der Realität", kommentiert Ilka Hoffmann, Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), diesen Vorschlag. In den meisten Grundschulen seien die Räume "nicht riesig". Tatsächlich gilt im Schulbau der meisten Bundesländer eine Richtgröße von zwei Quadratmetern, die jedem Kind im Klassenzimmer zur Verfügung stehen muss. Ilka Hoffmann: "15 Kinder können da keinen Abstand von zwei Metern halten, die sitzen enger."

Hinzu kommt: Mit Ausnahme der Förderschulen sind in allen anderen Schulformen die Klassen zum Teil deutlich größer als die von den Forschern jetzt angeregte Maximalgröße von 15 Kindern. Die Klassen müssten also geteilt werden - was zunächst auch für die Lehrkräfte durch die Konzentration auf die Hauptfächer Deutsch und Mathematik (sowie Fremdsprachen an den weiterführenden Schulen) machbar erscheint.

Doch erfahrene Lehrer haben Zweifel. So schreibt der Dortmunder Realschullehrer und Vater Christof Birkendorf in einem Brief an die Bildungspolitiker in Bund und Ländern, neben der Gruppengröße in den Klassenzimmern gebe es "das viel heftigere Problem der Abstandseinhaltung in Fluren, Pausenhöfen und Schulwegen. Schülerinnen und Schüler sind jung und unbedarft. Ohne Aufsicht halten sie keine Abstandsregeln ein." In dem eindringlichen Schreiben, das dem SPIEGEL vorliegt, heißt es weiter: "Sie schubsen, umarmen und drängeln, ob MIT oder OHNE Aufsicht von Lehrer*innen! Sie vergessen dann jegliche Vorgaben, da sie eben noch KINDER sind und somit sehr unbefangen."

Ein Argument, das insbesondere auch für Schüler gilt, die einen Schulbus benutzen. Wie groß deren Gesamtzahl in Deutschland ist, wird statistisch nicht explizit erfasst. Das Bundesverkehrsministerium geht von über 30 Prozent Schülern und Studierenden aus, die für ihren täglichen Weg den Bus benutzen. Auch bei Grundschülern im ländlichen Bereich liegt der Anteil bei geschätzt einem Drittel. Um alle Kinder zu den Schulen zu transportieren und gleichzeitig die Abstandsregeln in den Fahrzeugen einzuhalten, müssten die Fahrtkapazitäten also erheblich ausgeweitet werden.

Die Personalfrage: Für die verkleinerten Lerngruppen empfehlen die Leopoldina-Forscher zeitversetzten Unterricht - was einen entsprechenden Einsatz der Lehrkräfte auch am Nachmittag erforderlich machen würde.

Kritik: Das Engagement der Lehrerinnen und Lehrer vorausgesetzt, wäre das möglicherweise ein gangbarer Weg. Aber für den Unterricht im Schichtsystem stehen gar nicht alle Lehrkräfte zur Verfügung. Rund ein Drittel der Pädagogen gehöre zur Risikogruppe, schätzt Gewerkschafterin Ilka Hoffmann - wegen des Alters oder wegen Vorerkrankungen. In einigen Kollegien gebe es zwar viele junge Lehrkräfte, in anderen aber vor allem ältere. "Da ist fraglich, ob überhaupt genügend Personal vor Ort sein darf."

Das gilt umso mehr, weil in Deutschland auch ohne Krise ein extremer Lehrermangel herrscht, insbesondere an Grundschulen. Hoffmann sagt, sie sei "sehr erstaunt, dass ausgerechnet die Schulen, ein guter Umschlagplatz für Viren", zu den ersten Institutionen gehören sollten, die den Betrieb wieder aufnehmen. Auch viele SPIEGEL-Leser weisen darauf hin, dass älteren Pädagogen und solche mit Vorerkrankungen nicht zum Unterricht herangezogen werden könnten. Die Mangelsituation werde dadurch noch einmal verschärft.

Die Frage, wer Vorrang hat - und wer erst einmal zu Hause bleibt: Der Unterricht soll zuerst mit jüngeren Schülern wieder aufgenommen werden, dann allerdings vorrangig mit den Klassenstufen, die vor einem Schulwechsel stehen, schlagen die Leopoldina-Forscher vor. An Grundschulen wären das in den meisten Bundesländern die Viertklässler, in Berlin meist Sechstklässler. Sie müssten schließlich den Übergang auf die weiterführenden Schulen meistern, argumentieren die Experten. Dagegen sollte in den Kitas, so das Leopoldina-Papier, bis zum Sommer erst einmal der Notbetrieb aufrechterhalten werden, mit höchstens fünf Kindern pro Gruppe.

Die Kritik: "Pädagogisch nicht sinnvoll" lautet das Urteil aus den Reihen einiger Lehrerverbände. Maresi Lassek, Vorsitzende des Grundschulverbandes, sieht ein Dilemma: "Wenn die Viertklässler nun nicht nach den Erwartungen der weiterführenden Schulen vorbereitet würden, erfordert dies Rücksichtnahme in den aufnehmenden Schulen, die müsste eingeplant werden." Viertklässler seien andererseits tendenziell eher in der Lage, im Homeschooling selbstständig Aufgaben zu bearbeiten. "Jüngere Kinder, gerade Erstklässler, sind allein zu Hause viel schneller überfordert. Sie brauchen mehr Betreuung, mehr Hilfe, mehr Anleitung, mehr Ansprache", so Lassek.

Dass die Kita-Kinder dagegen erst einmal zu Hause bleiben sollen, sorgt bei vielen betroffenen Eltern für Unmut. Sie mutmaßen, dass dafür vielleicht auch die Tatsache verantwortlich sei, dass sich im 26-köpfigen Wissenschaftlergremium der Wissenschaftsakademie nur zwei Frauen befanden.

Insgesamt werden mehr als 3,6 Millionen Kinder in Deutschland in Kita-Gruppen betreut. Legt man die durchschnittliche Kinderzahl pro Frau in Deutschland zugrunde, die vom Statistischen Bundesamt mit 1,57 angegeben wird, wären von der andauernden Schließung der Kitas im Extremfall bis zu 2,3 Millionen Familien und Alleinerziehende betroffen.

Das Bildungsverständnis: "Prüfungen müssen auf allen Bildungsetappen ermöglicht werden", heißt es im Bericht der Leopoldina; gleichzeitig müssten "die Risiken für erneute Ansteckungen minimiert werden". Die zuvor viel diskutierte Möglichkeit, Abschlussprüfungen etwa für den Mittleren Schulabschluss oder das Abitur in diesem Jahr ausfallen zu lassen, erwähnen die Experten jedoch nicht.

Die Kritik: "Die Vorschläge, erst einmal die Abschlussklassen der Grundschulen sowie die Schülerinnen und Schüler der Sekundarstufe I in die Einrichtungen zu schicken, zeigen, dass Schule immer noch in erster Linie von den Zensuren und Prüfungen her gedacht wird", sagte die GEW-Vorsitzende Marlis Tepe, "und dass nicht von einem umfassenden Bildungsbegriff ausgegangen wird."

Auch Nico Steidel teilt diese Kritik. Der 19-Jährige besucht derzeit die 13. Klasse der Carl-Benz-Schule in Mannheim und bereitet sich, so gut es geht, auf sein Abitur vor. Es gehe "um die Chance auf Fairness für alle", und die sei für die aktuellen Abiturienten einfach nicht gegeben. Steidel verweist auf eine Petition mit mittlerweile über 140.000 Unterschriften, in der eine Bewertung nach den vorher in der Oberstufe erbrachten Leistungen gefordert wird. Zu dieser Petition habe sich seines Wissens nach "kein einziger dafür zuständiger Politiker zu Wort gemeldet und unsere Bedenken, Kritiken und Argumente auch nur erwähnt", so Steidel.

Im Gespräch mit dem SPIEGEL kündigte er an, "dass meine Klasse und ich uns aufgrund der bestehenden Argumente und der Ungerechtigkeit uns gegenüber nicht dazu verpflichtet fühlen, bei Schulbeginn und den anstehenden Prüfungen in die Schule zu gehen." Das gesundheitliche Risiko sei ihm und seinen Mitschülern zu hoch. Mit Schwänzen habe das nichts zu tun: "Uns geht es um die Sicherheit aller."

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