Kardiologe über fehlende Herzpatienten: «Tun Sie das Richtige: Wählen Sie 112!»
Der Essener Kardiologie-Professor Tienush Rassaf rät dringend dazu, bei Herzbeschwerden trotz der Coronakrise zum Arzt oder ins Krankenhaus zu gehen.
SPIEGEL: Die Notaufnahmen in deutschen Krankenhäusern melden in Corona-Zeiten deutlich weniger Betrieb. Gilt das auch für die Universitätsklinik in Essen?
Rassaf: Seit der ersten Märzwoche sehen wir einen dramatischen Rückgang an Patienten. An unseren Standort kommen normalerweise pro Monat rund 140 Menschen mit einem Herzinfarkt oder ähnlichen Notfall. Die Zahl hat sich inzwischen mehr als halbiert.
SPIEGEL: Auch in anderen Krankenhäusern der Stadt?
Rassaf: Dieses Phänomen erleben wir überall in Essen und auch in ganz Deutschland. Wir haben uns mit vielen Universitätskliniken und größeren Krankenhäusern ausgetauscht, in Köln, Bonn, Düsseldorf, Dresden, Berlin – allerorten gibt es 50 bis 60 Prozent weniger Notfälle. Der Einbruch ist so heftig, dass wir uns Sorgen machen ...
SPIEGEL: ... weil Sie davon ausgehen, dass die Deutschen nicht plötzlich gesünder geworden sind.
Rassaf: Genau, die Infarkte finden ja statt. Sie führen nur nicht zum einzig Richtigen: 112 anzurufen.
SPIEGEL: Was hält die Menschen davon ab?