IWF-Frühjahrstagung: Globale Krise ohne Gemeinsamkeit
Die Welt steht nach Ansicht des Internationalen Währungsfonds vor einem dramatischen wirtschaftlichen Einbruch. Der IWF pocht auf eine enge Zusammenarbeit der Regierungen, doch davon ist wenig zu erkennen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) soll helfen, die Welt aus der Krise zu retten, aber erst einmal musste die Organisation diese Woche ein Coronavirus-bedingtes Alltagsproblem lösen: Wie bringt man Dutzende Zeitzonen unter einen Hut? Denn in diesem Jahr fällt das übliche Stelldichein der rund 10.000 Regierungsvertreter, Notenbanker, Experten und Journalisten in Washington aus. Die Frühjahrstagung von IWF und Weltbank findet zum ersten Mal in ihrer Geschichte rein virtuell statt.
Und wenn Europas Politiker morgens das Licht im Homeoffice anschalten, herrscht in der US-Hauptstadt noch dunkle Nacht.
Weltwirtschaft könnte um drei Prozent schrumpfen
Man kann darin ein Symbol sehen: Noch nie war die internationale Zusammenarbeit so schwierig wie in den Zeiten von Covid-19. Regierungen schließen Grenzen, verbieten Exporte, und ländergreifende Koordination kommt so gut wie nicht vor. Dabei machte IWF-Chefvolkswirtin Gita Gopinath in ihrer Video-Pressekonferenz am Dienstag eines unmissverständlich klar: Die Pandemie trifft die ganze Welt. Nach der IWF-Prognose wird die Weltwirtschaft in diesem Jahr um drei Prozent schrumpfen, und das ist noch das günstigste Szenario. Wenn es nicht gelinge, die Seuche in der zweiten Jahreshälfte einzudämmen, könnte der Konjunktureinbruch sogar doppelt so groß ausfallen, warnte Gopinath. In 170 Ländern der Erde werde das Pro-Kopf-Einkommen in diesem Jahr schrumpfen.
Für den IWF, der die internationale Finanzstabilität sichern soll, ist die Krise eine Bewährungsprobe - und die Chance, seinen zahlreichen Kritikern zu beweisen, dass der Fonds auch mehr als sieben Jahrzehnte nach seiner Gründung noch gebraucht wird. Mehr als 90 Länder haben bereits Anträge auf Notfallfinanzierungen gestellt, und IWF-Chefin Kristalina Georgiewa hat signalisiert, dass man bei der Vergabe nicht ganz so genau hinschauen wird wie sonst. Von den üblichen Codewörtern wie Haushaltsdisziplin, Konsolidierungsanstrengungen und Schuldentragfähigkeit ist in den virtuellen Auftritten dieser Tage nichts zu hören. Im Gegenteil: Die Coronakrise sei "ein wirklich exogener Schock", der zwingend nach höheren Ausgaben und Defiziten verlange, sagte Gopinath. Für 25 arme Länder hat der Fonds im Eiltempo bereits Schuldenerleichterungen beschlossen.
Keine Touristen und fliehende Investoren
Der IWF argumentiert, dass es im Interesse der Industriestaaten liegt, nicht nur die eigenen Probleme zu bewältigen, sondern auch den finanzschwachen Ländern zu helfen. In vielen Entwicklungs- und Schwellenländern sind die Gesundheitssysteme dramatisch überfordert. Viele dieser Staaten leben vom – nun ausbleibenden – Tourismus und haben keine Finanzreserven. Zugleich fliehen die Investoren in Scharen.
Innerhalb eines Monats zogen Anleger rund 100 Milliarden Dollar aus den Schwellenländern ab, drei Mal so viel wie im vergleichbaren Zeitraum während der Finanzkrise 2008. Nach IWF-Schätzung müssen die Schwellenländer allein bis zum Jahresende Kredite im Umfang von 4,3 Billionen Dollar zurückzahlen oder refinanzieren. Die "wahrlich globale Krise" sei nur durch internationale Zusammenarbeit zu bewältigen, so der IWF. "Diejenigen mit größeren Ressourcen und politischem Spielraum werden mehr tun müssen. Andere mit begrenzten Möglichkeiten werden mehr Unterstützung brauchen", hat Chefin Georgieva erklärt.
Nicht einmal die EU konnte ihre Ressourcen bündeln
Bislang allerdings ist eine solche Solidaritätsbewegung so wenig zu erkennen wie eine verstärkte internationale Kooperation. Nicht einmal die EU konnte sich darauf verständigen, ihre Ressourcen zu bündeln. In den USA konkurrieren die einzelnen Bundesstaaten gegeneinander, um Beatmungsgeräte aufzukaufen. Derweil hat die Trump-Regierung erklärt, sie werde IWF-Hilfen für den Iran blockieren, weil das Regime damit Terror finanziere.