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Das böse Ö-Wort

21 апреля
21:22 2020

Die Kanzlerin ärgert sich über "Öffnungsdiskussionsorgien", die SPD über die Union und die Opposition über die Kanzlerin. Nach Wochen der Einigkeit im Corona-Kampf wird der Ton in der Politik wieder rauer.

In dieser Woche wird die Kanzlerin im Bundestag eine Regierungserklärung abgeben. Das ist tatsächlich eine Premiere in der Coronakrise, die das Land nun schon einige Wochen im Griff hat. Doch beim letzten Mal, als im Parlament die ersten milliardenschweren Hilfspakete verabschiedet wurden, saß Angela Merkel daheim in Quarantäne, weil sich ein sie behandelnder Arzt mit dem Virus infiziert hatte.

Anstelle der Regierungschefin sprach Ende März Vizekanzler Olaf Scholz von der SPD. Und so zurückhaltend wie der SPD-Politiker stets auftritt, verlief auch die anschließende Debatte. Selbst die AfD gab sich überwiegend staatstragend.

An diesem Donnerstag aber dürfte es anders sein.

Rund einen Monat nach Beginn des gefühlten Ausnahmezustands sehnt nicht nur die Bevölkerung die ersten, zaghaften Lockerungsübungen herbei. Auch in der Politik lässt nach Wochen der demonstrativen Einigkeit im Kampf gegen das Virus die Selbstbeherrschung spürbar nach.

In diesen Tagen, in denen die Länder die ersten Schritte in die Normalität umsetzen, herrscht fast schon wieder die Alltagstemperatur im politischen Betrieb. Der Ton wird rauer: Als Angela Merkel diese Woche in einer Telefonschalte des CDU-Präsidiums die "Öffnungsdiskussionsorgien" in manchen Ländern beklagte, gab es in Teilen der Opposition sofort Proteste.

Unter den Ersten waren AfD-Spitzenpolitiker - als hätten sie auf den Moment gewartet, sich endlich wieder ihrer Lieblingsgegnerin widmen zu können, einer Kanzlerin, die wegen ihres Krisenmanagements national wie international viel Lob erfährt und in den Umfragen unangefochten dasteht.

Auch in der FDP, die sich an die Spitze der Lockerungsbewegung gesetzt hat, wurde Kritik laut - wenn auch verhaltener. FDP-Chef Christian Lindner weiß, dass scharfe Attacken in diesen Wochen kontraproduktiv sein können. Er habe Merkels "Orgien-Bemerkung" bedauert, sagte Lindner dem SPIEGEL. Sie wirke wie ein Schritt zurück "zur angeblichen Alternativlosigkeit", Debatten dürften aber nicht abgewürgt werden. Es müsse diskutiert werden, ob Gesundheitsschutz besser mit Freiheit vereinbart werden könne.

Laschet klingt anders als Merkel

Doch was hatte die Kanzlerin eigentlich zu ihrer harschen Warnung getrieben? Sie sei, so die per Video aus dem Kanzleramt zugeschaltete Merkel, in Sorge wegen der jüngsten Entwicklung seit den beschlossenen Lockerungen. Offenbar würden viele Bürger die fortbestehende Bedrohung auf die leichte Schulter nehmen.

Und dann kam das Wort, das seitdem für einige Aufregung in der deutschen Öffentlichkeit führt: Verantwortlich dafür seien "Öffnungsdiskussionsorgien" in einigen Ländern.

Es war ein hartes Wort aus dem Mund einer Frau, die im Zweifel eher vorsichtig formuliert. Orgie bedeutet, dass etwas außer Rand und Band gerät; kein verantwortungsvoller Politiker will sich so etwas vorhalten lassen. War ihr das Wortungetüm beim freien Formulieren rausgerutscht, bedauert sie es vielleicht schon? Oder war es mit Bedacht gewählt, in dem Bewusstsein, dass es auch aus einer internen Besprechung nach außen getragen würde?

Das bleibt Spekulation. Tatsache ist: Die freie Rede liegt Merkel nicht, immer mal wieder verrutschen ihr dann Sätze oder Begrifflichkeiten. Tatsache ist aber auch: Zurückgenommen hatte sie bei einer anschließenden Pressekonferenz nichts davon. Sie verwendete das Ö-Wort zwar nicht erneut, bekräftigte aber ihre Sorgen.

Das tat sie auch am Dienstagnachmittag, als die Unionsfraktion sich zusammenschaltete. Allerdings sah sich Merkel auch zu einer Klarstellung gezwungen: Es sei selbstverständlich, dass es eine öffentliche und breite Diskussion darüber gebe, wie man wieder hinein in mehr gesellschaftliches Leben komme, betonte sie demnach laut Teilnehmern.

Laschet klingt anders als Merkel

Von den Ministerpräsidenten, die Merkel mit ihrer Kritik indirekt angesprochen hatte, dürfte einer genau zugehört haben, weil er sich am offensivsten für Lockerungen ausgesprochen hatte: der CDU-Vize und nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet.

"Wir können die Leute wieder schrittweise in die Freiheit entlassen", sagte Laschet Teilnehmern zufolge im CDU-Bundesvorstand, der am Montagnachmittag ebenfalls per Videoschalte tagte. Das war ein anderer Sound als bei der Kanzlerin.

Merkel, das hat sich in ihrer Kanzlerschaft immer wieder gezeigt, mag keine offenen Debatten, wenn es brenzlig wird. Das war so in der Euro- und der Flüchtlings- und wiederholt sich nun in der Coronakrise. Laschet dagegen macht sich die Haltung derjenigen, die sich von der Anti-Corona-Politik geknebelt fühlen, zunutze: Breit zu debattieren, bringt die Argumente der Lockerer zur Geltung, also auf seine Seite.

Doch was treibt Laschet an? Er ist einer von drei Kandidaten für den CDU-Vorsitz, gilt auch als möglicher Aspirant auf die Kanzlerkandidatur. Und bisweilen sieht es so aus, als versuche er sich auch vor diesem Hintergrund gegen Bayerns Ministerpräsident Markus Söder zu profilieren, der als Bremser in der Lockerungsdebatte gilt.

SPD wirft CSU indirekt Krisenlobbyismus vor

So sieht es zumindest der Koalitionspartner, der die Spannungen in der Union nach Wochen der Ruhe wieder zu nutzen versucht. Generalsekretär Lars Klingbeil sagte der "Rheinischen Post", der Wettbewerb in der Coronakrise zwischen München und Düsseldorf laufe "so langsam aus dem Ruder". Das wirke manchmal wie ein "Hahnenkampf um das Merkel-Erbe".

Auch sonst verschärft die SPD die Kritik - etwa beim Thema Grundrente. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, kritisierte im SPIEGEL zudem den aktuellen Krisenlobbyismus. Im Blick des SPD-Politikers: Die CSU will eine Mehrwertsteuersenkung für Hotels und Gaststätten im Koalitionsausschuss am Mittwochabend zum Thema machen.

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