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Coronavirus: Was Covid-19 in der Lunge anrichtet

14 апреля
09:42 2020

Mediziner sammeln immer mehr Erfahrungen mit Covid-19-Patienten, bei denen die Atmung versagt. Sie berichten von ungewöhnlichen Folgen des Virus für die Lunge.

Der Ausbruch des neuartigen Coronavirus begann mit einem Missverständnis. Das Erbgut des damals noch völlig unbekannten Erregers ähnelte so stark dem bereits bekannten Sars-Virus, dass Forscher davon ausgingen, dass es sich auch im Körper ähnlich verhält.

Das Virus sei nicht so ansteckend, schlussfolgerten Wissenschaftler wie Christian Drosten von der Charité. Es befalle vor allem die unteren Atemwege und damit die die Lunge, dorthin müsse es für eine Infektion erst mal gelangen. Der erste Kontakt mit Sars-Cov-2 in Deutschland zeigte, dass die Forscher irrten.

Als sich in der Nähe von München die ersten Menschen in Deutschland infizierten, gelang es einem Team um Drosten, aus Rachenabstrichen der Erkrankten Viren zu gewinnen und zu vermehren. Bei Sars war dies nie geglückt. Seitdem ist klar: Das neuartige Coronavirus befällt nicht nur die Lunge, es siedelt sich vor allem in den oberen Atemwegen, im Rachen an.

Für das Virus bringt das Vorteile. Es gelangt so deutlich leichter von einem Menschen zum nächsten, der Weg von Rachen zu Rachen ist wesentlich kürzer als der Weg von Lunge zu Lunge. Doch auch der Mensch profitiert, da Infektionen der oberen Atemwege zwar unangenehm sein können, aber fast nie gefährlich.

Vergleichsweise selten dringt jedoch auch das neuartige Coronavirus bis in die Lunge vor und löst dort eine Entzündung aus. In Deutschland sind rund zwei Prozent der nachgewiesen Infizierten davon betroffen. Die Folgen, die Mediziner momentan beobachten, unterscheiden sich in mehreren Punkten von bekannten schweren Atemwegsinfektionen.

Der Boris-Johnson-Verlauf: Erst leichte Symptome, dann Krankenhaus

Während sich Patienten bei einer Grippe etwa schlagartig schlecht fühlen, entwickeln bei Covid-19 viele, die später schwer erkranken, anfangs nur milde Symptome. Sie husten oder der Hals kratzt, bei manchen kommen etwa Fieber oder Durchfall hinzu.

Erst nach knapp einer Woche kann sich der Zustand rapide verschlechtern, sodass sie ins Krankenhaus müssen. "Boris Johnson ist dafür ein berühmtes Beispiel, wir sehen das aber auch bei uns in der Klinik", sagt Michael Pfeifer, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin.

Genau erklären können Mediziner dieses Phänomen noch nicht. Es liegt jedoch nahe, dass es mit dem Übergang der Viren aus dem Rachen in die Lunge zusammenhängt. Dafür spricht auch, dass die Viren im Rachen teilweise nicht mehr nachweisbar sind, wenn Patienten mit einer Lungenentzündung ins Krankenhaus kommen.

Schaffen es die Viren bis in die Lunge, dringen sie auch dort in die Zellen ein. Dies führt zu ersten Schäden. Zusätzlich beginnt das Immunsystem, die Eindringlinge zu bekämpfen. Das Lungengewebe entzündet sich, aber anders, als Mediziner es häufig beobachten.

Wölkchen am Rand der Lunge

Ungewöhnlich ist vor allem, dass bei manchen Covid-19-Patienten der Körper bereits unter einem massiven Sauerstoffmangel leidet, weil ihre Lunge nicht mehr richtig funktioniert - und sie trotzdem noch das Gefühl haben, normal atmen zu können.

"Das ist eine Kombination, die man fast nie sieht", schreiben Ärzte aus Göttingen, Turin und London in einem Debattenbeitrag in der Fachzeitschrift "Intensive Care Medicine". Grund dafür ist, dass die Lunge bei Covid-19 trotz Entzündung oft ungewöhnlich lange dehnbar bleibt.

Normalerweise lagern sich bei einer schweren Lungenentzündung große Mengen Flüssigkeit an, die das Gewebe schwerer und steifer machen. Betroffene haben das Gefühl, gegen einen Widerstand anatmen zu müssen. Das trifft auch auf Covid-19-Patienten zu, aber meist erst bei einer weit fortgeschrittenen Lungenentzündung. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass sich bei Covid-19 in der ersten Phase deutlich weniger Flüssigkeit in der Lunge ansammelt als bei einer klassischen Lungenentzündung", sagt Pfeifer, der als Chefarzt der Pneumologie in der Klinik Donaustauf Betroffene betreut.

Die Besonderheit zeigt sich auch auf CT-Bildern. Die hellen Flächen, die auf Flüssigkeitsansammlungen hinweisen, sind bei Covid-19-Patienten nicht so dicht wie bei vielen anderen Lungenentzündungen. "Man sieht, je nach Schwere, immer noch dunkle, also luftgefüllte Areale dazwischen", sagt Pfeifer. Außerdem befinden sich die hellen Flächen vor allem am Rand der Lunge, wo sie weiße Wölkchen formen.

"Das Verteilungsmuster ist schon besonders, ich würde auch sagen, für Covid-19 charakteristisch", sagt Pfeifer. "Trotzdem reicht ein Röntgenbild alleine nicht aus, um die Krankheit zu diagnostizieren. Dafür braucht es einen Test."

Zu viel Blut in den Entzündungsherden

Dass es trotz der erhaltenen Dehnbarkeit der Lunge und damit einer recht normalen Atmung so stark an Sauerstoff mangelt, liegt wahrscheinlich an einem zweiten Covid-19-Phänomen.

"Die Patienten haben mehrere Entzündungsherde in der Lunge", sagt Pfeifer. Dort sind die Gefäße so stark geweitet, dass sie ungewöhnlich viel Blut aufnehmen. Gleichzeitig kann jedoch in diesen Bereichen durch die Entzündung - und damit auch durch lokale Flüssigkeitsansammlungen - kaum Sauerstoff aus der Atemluft ins Blut übergehen. Die gesunden Teile der Lunge hingegen werden weniger durchblutet, sie können den Sauerstoffverlust nicht wettmachen.

Der Körper reagiert auf den Sauerstoffmangel, indem er die Atemfrequenz erhöht. Sie ist ein wichtiger Anhaltspunkt, um den Gesundheitszustand eines Patienten zu beurteilen.