Coronavirus: Notfallplan in Griechenland für Corona-Ausbruch in Flüchtlingslagern
Die Flüchtlinge in den griechischen Aufnahmelagern können sich kaum vor einer Corona-Infektion schützen. Ein Papier, das dem SPIEGEL vorliegt, zeigt nun, wie die Behörden für den Notfall planen.
40.000 Menschen auf engstem Raum, kaum fließendes Wasser: Falls sich das Coronavirus in griechischen Aufnahmelagern wie dem Camp Moria auf Lesbos ausbreitet, droht eine Katastrophe.
Im äußersten Notfall plant die griechische Regierung, Erkrankte und potenziell Infizierte zu evakuieren. Das geht aus einem Plan hervor, der dem SPIEGEL vorliegt. Für die Evakuierung sollen unter Umständen auch Schiffe und Sportstadien genutzt werden.
Mehr als 500 Experten haben an dem Plan gearbeitet, Codename: Agnodike. Sie gilt der Überlieferung nach als erste Ärztin der griechischen Antike.
In dem 17-seitigen Papier legt die Regierung die Vorgehensweise der Behörden für den Fall fest, dass sich das Virus in Flüchtlingslagern auf dem Festland oder den völlig überfüllten Camps auf den Inseln ausbreitet. Die Maßnahmen sind in drei Stufen unterteilt.
-
Die Behörden riegeln das Lager ab. Die Polizei kontrolliert an zwei Checkpoints und verhängt eine partielle Ausgangssperre.
-
Ein sogenanntes "heißes Gebiet" wird ausgewiesen. Dort können Neuankömmlinge auf das Virus getestet und Corona-Fälle isoliert werden. In den Lagern in der Ägäis ist dieses Szenario bereits Realität.
-
Asylbewerber dürfen das Lager nicht mehr verlassen. NGO-Mitarbeiter dürfen nur noch mit einer speziellen Genehmigung hinein. Im Camp halten sich sonst nur noch Ärzte, Polizisten und andere Sicherheitskräfte auf.
-
Sogenannte Gesundheitsstationen werden aufgebaut, sie bestehen aus einem Untersuchungsraum, einem Erholungsbereich und eine Quarantänestation für 30 Menschen.
-
Falls das Virus sich schnell verbreitet, sollen Erkrankte von Gesunden vollständig getrennt werden. Je nachdem, ob mehr Menschen krank oder gesund sind, wird die kleinere Gruppe evakuiert. Es kann also sein, dass alle kranken Menschen in Moria bleiben müssen und nur diejenigen das Lager verlassen dürfen, die negativ getestet werden. Besonders Schutzbedürftige und kranke Menschen werden zuerst in Sicherheit gebracht.
-
Die Flüchtlinge sollen auf angemieteten Schiffen, in Sportstadien oder Hotels untergebracht und versorgt werden. Hotelbesitzer oder Bürgermeister auf den ägäischen Inseln hätten in dem Szenario keine Möglichkeit, Einspruch zu erheben.
2300 alte und kranke Flüchtlinge sollen in Hotels kommen
2300 besonders gefährdete Asylbewerber will die Regierung nach SPIEGEL-Informationen schon jetzt aus den Camps holen und in Hotels auf dem Festland einquartieren. Dabei handelt es sich um ältere Migranten und solche mit chronischen Krankheiten und Vorerkrankungen.
Die Transfers sollen am kommenden Dienstag beginnen, direkt nach dem orthodoxen Osterfest. Die Internationale Organisation für Migration (IOM), NGO's und die EU-Kommission hatten zuvor lange Druck auf die griechische Regierung ausgeübt. Die ersten Minderjährigen verließen bereits am vergangenen Dienstag das Camp Moria. Am Samstag sollen 50 von ihnen in Deutschland ankommen.
Zehn EU-Länder hatten sich bereit erklärt, insgesamt 1.600 Kinder und Jugendliche aus griechischen Flüchtlingslagern aufzunehmen. Lange passierte nichts, nun machen Deutschland und Luxemburg den Anfang.
In der Stadt Ritsona, nördlich von Athen gelegen, erleben die Behörden unterdessen, wie schwierig es selbst in vergleichsweise gut ausgerüsteten Camps ist, einen Corona-Ausbruch unter Kontrolle zu bekommen. Das Camp wurde, wie in Stufe 2 vorgesehen, abgeriegelt.