Coronavirus — David Runciman: «Wir können unsere gute, alte Demokratie nicht retten»
Die Corona-Pandemie spaltet die Menschen, statt sie zu einen, sagt der britische Politologe David Runciman. Er erwartet, dass neue politische Systeme entstehen werden.
SPIEGEL: Herr Professor Runciman, nach historischen Pandemien suchten die Menschen schnell nach Sündenböcken. Die Pest führte im 14. Jahrhundert zu Hexenjagden und antijüdischen Pogromen. Die Spanische Grippe brach in Kansas aus, wurde aber den Spaniern angelastet. Wen wird es diesmal treffen?
Runciman: Es kommt drauf an, wo die Menschen leben. In westlichen Demokratien werden manche China, andere ihre eigene Regierung beschuldigen.
SPIEGEL: Oder auch irgendwelche sinistren Kräfte im Hintergrund.
Runciman: Ja, die üblichen Verschwörungstheorien kochen gerade wieder hoch, in Frankreich zum Beispiel. Die Juden, die Illuminati, George Soros, eine angebliche Weltregierung – die üblichen Verdächtigen. Aber ich denke, die Frage, wer Schuld hat, wird in einigen Jahren anders bewertet werden als jetzt.
SPIEGEL: Wie würden Sie diese Krise mit anderen in der jüngeren Vergangenheit vergleichen? Sie wirkt in so vieler Hinsicht einzigartig.
Runciman: Das stimmt. Und sie ist, das sollte man betonen, kein Krieg, weil es keinen bekannten politischen Feind gibt. Kriege können eine einigende Kraft entfalten. Die Coronakrise scheint mir dagegen nichts Verbindendes zu haben.