Coronakrise: Wie Touristen trotz Verbot nach Sylt kommen — Interview mit Bürgermeister
Die Nordseeinseln sind wegen Corona für Touristen gesperrt. Manche Urlauber wollen trotzdem nach Sylt - und probieren es laut Bürgermeister Nikolas Häckel mit allen Tricks: getarnt als Handwerker oder im privaten Boot.
SPIEGEL: Herr Häckel, Ostern gehört eigentlich zur Hochsaison auf Sylt. Wie sieht es derzeit auf der Insel aus, halten sich die Touristen an das Zutrittsverbot?
Häckel: Leider nicht alle. Viele können nicht akzeptieren, dass Sylt wie andere norddeutsche Inseln abgesperrt ist und nur diejenigen hier sein dürfen, die hier ihren Erstwohnsitz haben. Es geht nicht darum, dass wir keine Gäste wünschen, sondern allein darum, für alle 18.000 Sylter die medizinische Versorgung sicherzustellen.
SPIEGEL: Seit dem 16. März wird streng kontrolliert, wer auf die Insel darf. Wie schaffen es Touristen denn, jetzt noch nach Sylt zu kommen?
Häckel: Die Menschen sind sehr kreativ, wenn es darum geht, die Corona-Verordnungen zu umgehen. Handwerkern ist die Anreise noch gestattet. Einige Touristen lassen sich daher Scheinarbeitsverträge oder -aufträge ausstellen, schicken ihr Gepäck mit der Post vor und reisen dann mit einer Handtasche an, um nicht aufzufallen. Manche versuchen, sich umzumelden: den Zweitwohnsitz auf Sylt zum Erstwohnsitz zu machen. Andere erfinden Schäden an ihren Immobilien und wollen sich dringend um die Reparatur kümmern.
SPIEGEL: Man hörte auch von Privatvermietern, die versuchten, ihre Gäste auf die Insel zu schmuggeln.
Häckel: Ja, es gab Insulaner, die mit ihrem Pkw aufs Festland sind, um dort Gäste aufzunehmen und sie nach Sylt zu bringen. Inzwischen gibt es auch Touristen, die mit dem Schiff kommen.
SPIEGEL: Sie meinen die Fähre von der dänischen Insel Röm nach List?
Häckel: Nein, ich meine mit Privatschiffen oder Booten. Wenn die Menschen ihre kriminelle Energie, die sie entfalten, um nach Sylt zu kommen, in die Organisation eines schönen Osterfestes zu Hause investieren würden, wären wir sehr dankbar. Wir haben das Virus übrigens schon auf der Insel. Es ist also keineswegs so, dass man ihm hier aus dem Weg gehen kann.
SPIEGEL: Wie gehen Sie gegen all diese Verstöße vor?
Häckel: Es wurden die polizeilichen Kontrollen und die der Ordnungsämter auf dem Festland und an allen Bahnhöfen verschärft, an den Strandpromenaden gibt es polizeiliche Streifenfahrten, das Ordnungsamt prüft sämtliche angezeigten Verdachtsfälle. Wir haben uns das Verbot nicht gewünscht, aber eben auch nicht das Virus.
SPIEGEL: Wer es in seinen Zweitwohnsitz geschafft hat, sollte sich also dort verschanzen und am besten nicht vor die Tür, um nicht aufzufliegen?
Häckel: Davon kann ich nur abraten. Vielmehr läuft man Gefahr, angezeigt zu werden. Auch das ist schon vorgefallen.
SPIEGEL: Was droht bei Regelverstoß?
Häckel: Geldbußen und das Abreisegebot. Das ist nichts, was wir gern machen. Wir können nur einfach gerade keine Gäste empfangen. Wir wollen später wieder gute und gesunde Gastgeber sein.