Corona-Krise und Ostern: Ein bisschen Hoffnung
Die Coronakrise lähmt das Leben in Deutschland auch über das Osterfest. Doch Regierung und Experten machen Hoffnung: Bald könnten die Regeln gelockert werden - wenn die Menschen jetzt nicht leichtsinnig werden.
Von einem normalen Osterfest ist Deutschland wohl so weit weg wie noch nie seit Gründung der Bundesrepublik. Die Coronakrise hat das Land nach wie vor fest im Griff: Gottesdienste werden nur per Übertragung im Internet stattfinden, von Besuchen bei engsten Verwandten und Grillpartys bei Frühlingswetter wird weiterhin strengstens abgeraten, die traditionellen Ostermärsche fallen aus.
Aber immerhin: Drei Tage vor dem Ostersonntag ist ein "Hoffnungschimmer" zu erkennen, wie es Kanzlerin Angela Merkel schon am Donnerstagmittag in der (virtuellen) Sitzung der Unionsfraktion ausdrückt.
Die Lage, darin sind sich Bundesregierung und Experten weitestgehend einig, hat sich verbessert, der exponentielle Anstieg der Corona-Infektionen scheint vorerst gestoppt. "Die Einschnitte in den Alltag", sagt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, "zeigen Wirkung".
Aber noch, auch darin stimmen die meisten Politiker und Fachleute überein, ist es zu früh, die geltenden Regeln und Maßnahmen zu lockern. "Dann gefährdeten wir die ersten Erfolge unserer Anstrengungen", sagt CDU-Politiker Spahn.
Doppelte Botschaft der Bundesregierung
Die Bundesregierung unter Führung von Merkel, das wird an diesem Tag deutlich, will vor dem Osterwochenende eine doppelte Botschaft platzieren, ein "Ja, aber": Ja, "der Anstieg flacht sich leicht ab", sagt die Kanzlerin bei ihrem Auftritt in der Regierungszentrale am Nachmittag - aber, "wir können uns sehr, sehr schnell das zerstören, was wir jetzt erreicht haben", wenn die Bürger wieder unvorsichtig würden.
Am Morgen hat wieder das sogenannte Corona-Kabinett unter Merkels Leitung getagt, in dem die für die Bewältigung der Krise zentralen Minister beraten. Schon da hat man sich über die Zahlen aus dem Robert-Koch-Institut (RKI) gebeugt, die zuversichtlich stimmen.
Nur: "Wir dürfen jetzt nicht leichtsinnig sein, wir dürfen uns nicht in Sicherheit wiegen", sagt die Kanzlerin. "Und ich kenne das auch von mir persönlich: Man hat ein bisschen Hoffnung, dann gewinnt man Zutrauen, dann ist man innerlich etwas entspannter, und schon ist man auch ein bisschen leichtsinnig."
Nach Ostern berät Merkel mit den Ministerpräsidenten
In der Woche nach Ostern will die Kanzlerin wieder mit den Ministerpräsidenten beraten, dann könnte es tatsächlich um erste Schritte der Lockerung gehen. Mancher Regierungschef wie Merkels Parteifreund Armin Laschet aus Nordrhein-Westfalen drängelt bereits in diese Richtung.
Am Vormittag präsentierte Laschet erste Egebnisse einer Corona-Studie aus dem Kreis Heinsberg, die seine Haltung zu stützen scheint. Der Kreis Heinsberg gilt als Corona-Testbatterie, denn dort hatte sich das Virus nach einer Karnevalssitzung Mitte Februar rasant ausgebreitet. Seit Wochen untersuchen Forscher um den Bonner Virologen Hendrik Streeck den Infektionsverlauf. Sie nehmen Abstriche aus dem Rachen von Bewohnern, testen deren Blut auf Antikörper, fragen nach, mit wem sie Kontakt hatten.
Vorläufige Ergebnisse zeigen nun, dass bereits 15 Prozent der Bevölkerung im Kreis Heinsberg immun gegen das Coronavirus sein könnten, dreimal mehr als bisher angenommen. Virologen gehen davon aus, dass die Epidemie von selbst endet, sobald etwa 60 Prozent der Bevölkerung immun sind.
Zudem ist der Erreger offenbar weniger gefährlich als befürchtet. Die Sterblichkeitsrate in Heinsberg lag bei 0,37 Prozent. Im Rest Deutschlands ist die Rate fünfmal höher, wahrscheinlich weil anders als in Heinsberg nur ein geringer Teil der leichten Fälle dokumentiert wird.
Fazit der Forscher: Der Lockdown musste sein, um die Zahl der Infektionen zu drücken. Nun seien erste Lockerungen denkbar, wenn Kontakte weiter vermieden, Hygieneregeln eingehalten und Risikogruppen geschützt werden. Das hieße: Weiter Abstand halten - gerade zu Älteren –, mindestens 20 Sekunden lang mit Seife die Hände waschen, nicht ins Gesicht fassen.
Szenarien aus der Wissenschaft
Aus der Wissenschaft kommen aber auch noch andere Einschätzungen:
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Die Kontaktsperren waren offenbar entscheidend, um das exponentielle Wachstum des Virus zu stoppen, zeigt eine aktuelle Analyse Göttinger Forscher. Die Schließung von Schulen, Geschäften und die Absage von Großveranstaltung allein hätten dafür sehr wahrscheinlich nicht ausgereicht. Wenn die Kontaktsperren noch etwa zwei Wochen eingehalten werden, halten die Wissenschaftler eine allmähliche Lockerung für möglich.
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Wissenschaftler vom Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung (HZI) bringen dagegen eine Verschärfung der Maßnahmen ins Spiel. Weitere Einschränkungen des sozialen Lebens könnten laut ihnen dafür sorgen, die Infektion innerhalb von ein bis zwei Monaten zu stoppen.
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Forscher der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina halten eine Lockerung der Maßnahmen für vertretbar, wenn möglichst viele Menschen Mundschutz tragen und freiwillig Corona-Warn-Apps benutzen.
Worin sich die Forscher mit der Bundesregierung einig sind: Die aktuell geltenden Maßnahmen müssen auch über Ostern eingehalten werden, ansonsten werden die Fallzahlen wahrscheinlich erneut ansteigen. Die Bemühungen der vergangenen Wochen wären im schlimmsten Fall umsonst gewesen.
Besonders lautstark fordert aus der Politik FDP-Chef Christian Lindner eine Lockerung der Regeln. "Wir müssen jetzt Wege suchen, wie schnellstmöglich wieder das öffentliche Leben in Deutschland stattfinden kann", sagte er dem Portal t-online.de. Die schrittweise Lockerung des Lockdowns in Österreich könne ein Vorbild für Deutschland sein.