Corona-Krise: Thüringens Regierung im Stresstest
Kemmerich-Eklat, war da was? Wenige Tage, bevor das Coronavirus die Republik lahmlegte, wurde in Thüringen eine Minderheitsregierung ins Amt gehievt. Wie funktioniert Rot-Rot-Grün mit CDU-Hilfe unter Krisenbedingungen?
In Deutschland redet kaum noch jemand über Thomas Kemmerich. Er regiert ja auch nicht mehr in Thüringen, die FDP sitzt jetzt wieder in der Opposition. Dass dramatische Monate hinter dem Freistaat liegen, die die ganze Republik erschütterten, dass FDP und CDU gemeinsam mit der AfD eben jenen Thomas Kemmerich zum Regierungschef wählten, ist außerhalb des kleinen Landes fast in Vergessenheit geraten.
Die Coronakrise macht es möglich.
Gerade mal eine Woche, bevor der Kampf gegen das Virus das Land nahezu zum Stillstand brachte, wurde in Thüringen noch die neue Regierung ins Amt gehievt. An der Spitze sitzt nun wieder der linke Ministerpräsident Bodo Ramelow mit seinen vorigen Partnern SPD und Grünen. Ebenfalls mit an Bord, ohne auf der Regierungsbank zu sitzen: die krisengeplagte Thüringer CDU.
Mithilfe eines verabredeten Stabilitätsmechanismus dürfen die Christdemokraten mitbestimmen - und sicherten Rot-Rot-Grün sogleich zu, dass sie nicht mit der Mehrheit aus FDP und AfD gegen die Regierung arbeiten. Im kommenden Jahr soll es Neuwahlen geben, so zumindest der Plan.
Es ist ein Kompromiss, von dem keiner so recht wusste, ob er funktioniert. Nun, in der Coronakrise, erfährt das Erfurter Konstrukt gleich einen epochalen Stresstest. Thüringen ist zwar gemessen an den Infiziertenzahlen relativ schwach vom Virus betroffen, doch die Maßnahmen schlagen auch hier voll durch. Kaum konnten sich die Minister überhaupt in ihren Häusern vorstellen, standen wegweisende Entscheidungen an.
Ramelow, zunächst gegen harte Maßnahmen in der Krise, gestand ein, das Virus unterschätzt zu haben. In einem MDR-Interview sagte der Landeschef, er sei am 12. März morgens aufgestanden und habe noch geglaubt, die Schulen könnten geöffnet bleiben. Einen Tag später ordnete er die Schließung an.
"Cockfight" zwischen Ramelow und Tiefensee
In der neuen Regierung knirschte es seither immer wieder. So wollte beispielsweise die CDU, dass die Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit auf die Liste systemrelevanter Berufe aufgenommen werden, damit auch sie ihre Kinder in die Notbetreuung schicken können. Das sollte sicherstellen, dass die Vergabe notwendiger Hilfen reibungslos abläuft. Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) schloss sich der Forderung an. Doch der zuständige Bildungsminister Helmut Holter (Linke) lehnte ab, was Verärgerung auslöste.
Im Krisenstab gab es Gerangel zwischen SPD und Linken, ob dieser nun im Innenministerium bei Georg Maier (SPD) angesiedelt sein soll, wie eigentlich üblich, oder bei den Linken in der Staatskanzlei. Tiefensee und Ramelow liefern sich einen Wettstreit, wer der bessere Krisenmanager sei, wird aus den Sitzungen berichtet. "Da findet ein Cockfight statt, der noch nicht entschieden ist", sagt ein Teilnehmer der Runden.
Das Parlament steht unter Druck, auch wenn es derzeit überhaupt nicht tagt. Erst im Mai soll die nächste Landtagssitzung stattfinden. Doch schon jetzt ist die Liste der Punkte lang, über die das Parlament entscheiden soll, wenn es wieder zusammentritt:
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Man will die Kommunalordnung ändern, um zu klären, welche Befugnisse Oberbürgermeister und Stadträte in der Krise haben.
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Das riesige Nothilfepaket für Thüringen muss durchs Parlament.
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Zudem sind weitere Hilfen für die Kommunen vorgesehen, die gerade immense Einnahmeausfälle haben
Bei den finanziellen Fragen kommt Rot-Rot-Grün an der CDU nicht vorbei. Ein Nachtragshaushalt könnte womöglich zu einer Verschiebung der Neuwahl im kommenden Jahr führen, was vor allem die SPD verhindern will.