Corona-Krise: Boris Johnson mischt sich schon wieder bei Regierungsgeschäften mit
Eigentlich sollte sich Boris Johnson noch von seiner Viruserkrankung erholen. Doch er greift schon wieder in die Politik ein - und muss sich neuer Kritik an seiner Corona-Strategie stellen.
Der britische Premier Boris Johnson kuriert gerade auf dem Landsitz Chequers außerhalb Londons seine überstandene Covid-19-Erkrankung aus. Ärzte hatten ihm geraten, die Regierungsgeschäfte erst einmal noch ruhen zu lassen. Doch Johnson meldet sich schon wieder kräftig in der Politik zurück: Er habe mit Außenminister Dominic Raab und weiteren Mitarbeitern am vergangenen Freitag ein dreistündiges Gespräch per Videocall gehabt, berichtete die Zeitung "Sunday Telegraph". Zu besprechen gibt es offenbar einiges: Kritiker werfen Johnson vor, in der Coronakrise zu spät gehandelt zu haben.
Bereits zuvor habe Johnson mehrmals von dem Landsitz aus Anweisungen gegeben. Nach Regierungsangaben vom Samstag hatte der Premier "einige Kontakte" mit Kabinettsmitgliedern, über das Ausmaß wurde aber nichts bekannt. Er halte sich an die Anweisungen seines Arztes, hieß es.
Der 55-jährige Johnson war Ende März positiv auf eine Infektion mit Sars-CoV-2 getestet worden und am 5. April ins Krankenhaus eingeliefert worden. Kurz darauf wurde er auf die Intensivstation des St Thomas' Hospital verlegt. Dort hatte er zusätzlichen Sauerstoff erhalten, musste aber nicht beatmet werden, wie ein Staatssekretär des Gesundheitsministeriums mitteilte.
Vor einer Woche konnte Johnson das Klinikum verlassen, er erholt sich nun mit seiner schwangeren Verlobten Carrie Symonds auf dem Landsitz. Die 32-Jährige hatte sich nach eigenen Angaben auch mit dem Coronavirus infiziert, aber nur leichte Symptome entwickelt.
Beobachter hatten damit gerechnet, dass Johnson noch mehrere Wochen als Regierungschef ausfällt. Sein Vater Stanley Johnson hatte dem Radiosender BBC 4 gesagt, er glaube nicht an eine schnelle Rückkehr seines Sohnes in den Berufsalltag: "Er braucht Zeit. Ich kann nicht glauben, dass man das durchmachen kann und direkt wieder zurück in die Downing Street geht und die Zügel in die Hand nimmt, ohne eine Phase der Wiederanpassung", so der 79-Jährige.
Dass sich Johnson wieder so schnell in die Regierungsgeschäfte einmischt, soll mit zunehmender Kritik an der Regierung bei der Bekämpfung der Pandemie zu tun haben. Nach einem Bericht der "Sunday Times" war zu Beginn des Ausbruchs wochenlang der Ernst der Lage in Großbritannien nicht erkannt worden. Man habe sich stattdessen zu sehr auf den Brexit konzentriert.
Mittlerweile nehmen die Probleme zu: In den britischen Kliniken wird die Ausrüstung zum Schutz gegen das Coronavirus knapp; das gilt auch für die für Ärzte und Pfleger empfohlenen langärmeligen, flüssigkeitsabweisenden Einwegkittel auf vielen Intensivstationen. Daher haben die Behörden auch die Verwendung anderer Kittel erlaubt - ein Schritt, der am Wochenende auf heftige Kritik unter anderem von Gewerkschaften stieß. Sie befürchten ein erhöhtes Ansteckungsrisiko für Ärzte und Pfleger.