Corona-Krise: Bodo Ramelow wirft Leopoldina-Forschern Ideologie vor
Die Leopoldina empfiehlt eine Öffnung der Schulen für die Kleinsten - und bringt eine vollständige Soli-Abschaffung ins Spiel. Dem SPIEGEL sagt Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, warum er beides für falsch hält.
Deutschland befindet sich seit Wochen im Krisenmodus. Das öffentliche Leben ist im Kampf gegen das Coronavirus lahmgelegt, die Wirtschaft leidet massiv. Längst geht es deshalb in der politischen Debatte vor allem auch um eine Frage: Wie kann auch ohne Impfstoff wieder zumindest ein wenig Normalität im Land einkehren?
26 Forscher der Nationalakademie Leopoldina haben mit ihren jüngsten Empfehlungen eine wichtige Grundlage für die kommenden Diskussionen zwischen Bund und Ländern gelegt. Am Mittwoch wollen Bundesregierung und die Ministerpräsidenten beraten. Doch das Papier stößt auch auf heftige Kritik.
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow stört sich etwa an der Forderung nach steuerlichen Entlastungen, um die Wirtschaft zu beleben. Sogar eine komplette Abschaffung des Solidaritätszuschlags regen die Experten an. "Damit kann ich nichts anfangen", sagte Ramelow dem SPIEGEL. "Das ist pure Ideologie."
Steuersenkungen würden vor allem jenen helfen, die ohnehin zu den Besserverdienern zählen. Die Spaltung zwischen Arm und Reich oder Ost und West würde dadurch nur weiter verschärft. "Wir sollten eher ein noch höheres Maß an Solidarität entwickeln", sagte Ramelow. "Wer mehr tragen kann, soll auch mehr tragen."
"Es gibt nicht genügend Lehrer"
Auch den Vorschlag, so bald wie möglich die Grundschulen zu öffnen, kritisiert der Linkenpolitiker scharf. Das Schulsystem sei auf diese Herausforderung nicht ausgerichtet. "Es gibt nicht genügend Lehrer und nicht genügend Schulen für die geforderten kleinen Klassen." Es mangele zudem an Masken, mit denen man Lehrer oder Bus- und Bahnfahrer schützen müsse. "Ich kann doch niemanden zwingen, sich ungeschützt einem potenziell tödlichen Virus auszusetzen", sagte Ramelow.
Der Thüringer Regierungschef plädiert deshalb für ein "behutsames Vorgehen". Zunächst sollte man den älteren Schülern ermöglichen, ihre Prüfungen bis zu den Sommerferien abzulegen. Denkbar sei ansonsten, die Schulpflicht für das gesamte Jahr 2020 aufzuheben. Auch andere Regierungschefs sehen die Leopoldina-Empfehlungen zum Schulunterricht skeptisch.