Corona: Carl Christian von Weizsäcker fordert drastische Neuverschuldung im Kampf gegen Pandemie
Der Wirtschaftswissenschaftler Carl Christian von Weizsäcker schlägt im Kampf gegen die Corona-Pandemie eine radikale Wende in der Finanzpolitik vor.
SPIEGEL: Herr Weizsäcker, die Coronakrise wird in vielen Ländern zu einem scharfen Konjunktureinbruch führen. Stehen wir vor einer neuen Weltwirtschaftskrise, vergleichbar mit 1929?
Weizsäcker: Die Große Depression der Dreißiger Jahre hatte ihre Ursache in der Wirtschaft selbst. Bei der Coronakrise dagegen haben die Regierungen den Einbruch bewusst herbeigeführt, um die Gesundheit ihrer Bürger zu schützen. Das ist eine Krise neuen Charakters. Einerseits ist der Einbruch besonders scharf. Andererseits sind die Möglichkeiten, aus dem Tal wieder herauszukommen, deutlich größer als damals.
SPIEGEL: Die Coronakrise fällt in eine Phase extrem niedriger Zinsen. Sie vertreten seit langem die These, dass dieses Phänomen nicht vorübergeht, sondern von Dauer ist. Während die alternden Industriegesellschaften beständig mehr für den Ruhestand sparen, gibt es in der Privatwirtschaft viel weniger lukrative Investitionsprojekte als früher. Wird dieser Trend durch Corona nun gestoppt?
Weizsäcker: Im Gegenteil, er wird sich noch verstärken. Zum einen gibt es jetzt einen Schub für Digitalunternehmen wie Home-Office-Anbieter oder den Internethandel, die für ihre Produkte oder Dienstleistungen wenig Kapital benötigen. Zum anderen werden die Menschen in der nächsten Zeit noch mehr sparen, um sich für eine erneute Krise zu wappnen. Die Zinsen werden also voraussichtlich noch weiter fallen.