Griechenlands Tourismus in der Corona-Krise: Vier Hoteliers berichten
Jeder Anruf ist eine weitere Absage: Griechische Hoteliers fürchten die Katastrophe - für ihr Unternehmen und für ihr Land. Hier erzählen vier von ihnen, was die Coronakrise in ihrer Branche anrichtet.
Der Tourismus hat Griechenland aus seiner jahrzehntelangen Finanzkrise herausgeholt - jetzt steht er aufgrund der Coronakrise vor dem Abgrund. Schätzungsweise 3000 Hotels, also eines von drei im Land, werden in dieser Saison möglicherweise nicht wieder eröffnen. Die Einnahmen aus der Branche könnten im Vergleich zu 2019 auf ein Drittel schrumpfen.
Die Urlaubsindustrie ist das Lebenselixier der griechischen Wirtschaft. Rund 34 Millionen Touristen, dreimal mehr als das Land Einwohner hat, besuchten Griechenland im Jahr 2019 - Rekord. Der Tourismus macht mehr als ein Viertel der Wirtschaft und Beschäftigung des Landes aus - der höchste Prozentsatz in der EU.
2020 versprach, ein weiteres Wunderjahr zu werden. Jetzt könnte die Pandemie die Wirtschaft in eine Rezession zurückdrängen und zu Arbeitslosenzahlen, die so hoch zuletzt auf dem Höhepunkt der Krise waren.
Hier erzählen Hoteliers dem SPIEGEL, was sie zurzeit bewegt: von einem Fünf-Sterne-Hotel auf Kreta bis hin zu einem kleinen Familienbetrieb auf der Flüchtlingsinsel Lesbos.
"Wir müssen arbeiten, um zu überleben"
Makis Sarafoglou, 60, ist Inhaber des Hotels Orfeas auf der Insel Lesbos. Das im Jahr 2012 eröffnete Haus hat 40 Zimmer und befindet sich in der Inselhauptstadt Mitilini, sieben Kilometer vom Flughafen und 150 Meter vom Strand entfernt.
"Unser Hotel ist ein Familienbetrieb, den ich zusammen mit meiner Frau und meinem Sohn führe. Die Verträge unserer drei Angestellten musste ich auflösen, sie erhalten nun von der Regierung einen Zuschuss von 800 Euro. Schließen mussten wir unser Haus aufgrund der behördlichen Anordnung am 22. März. An dem Tag haben wir den letzten Besucher verabschiedet - ein schmerzhafter Moment.
Seitdem hagelt es Stornierungen: aus Griechenland, Deutschland, Großbritannien, Italien und Frankreich. Nicht nur Urlauber, sondern auch Archäologen und Mitarbeiter von NGOs und internationalen Organisationen rufen an, um zu stornieren. Normalerweise freuen wir uns über Anrufe. Aber seit der Schließung wissen wir: Immer, wenn an der Rezeption das Telefon klingelt, ist es eine weitere Absage.
Viele Kunden haben uns versprochen, dass sie ihre Buchungen erneuern und uns besuchen werden, sobald sich die Dinge wieder normalisieren und sie reisen können. Ich danke ihnen dafür, es ist ein gut gemeintes Versprechen. Aber darauf können wir uns nicht verlassen. Niemand weiß, wann wir wieder öffnen werden. Die Regierung sagt, vielleicht im Juli, aber wenn Sie mich fragen, ist die Saison bereits verloren. Und nicht nur das: Ich fürchte, das ganze Jahr ist verloren. Das Spiel ist aus.
Besonders bitter: Für die Sommermonate waren wir gut gebucht, die Auslastung lag bereits bei 60 Prozent. Man muss bedenken, dass wir uns auf einer Insel befinden, die bereits von der Flüchtlingskrise betroffen ist. Schon vor der Coronavirus-Pandemie war der Tourismus stark angeschlagen. Früher hatten wir Dutzende Kreuzfahrtschiffe pro Tag, jetzt haben wir gar keine mehr. Früher gab es 20 bis 25 Charterflüge am Tag, dann gingen sie auf vier zurück.
Wir hoffen jetzt, unser Finanzierungs- und Liquiditätsproblem zu überleben. Wir müssen die laufenden Rechnungen bezahlen, das Hotel muss gewartet werden - und unsere Mittel reichen nicht, um das alles zu bewältigen. Vielleicht schafft das die eine oder andere große Hotelkette. Wir können es nicht. Wir müssen arbeiten, um zu überleben."
"Hotels wurden nicht einmal im Zweiten Weltkrieg geschlossen"
Yiannis Aslanis ist Geschäftsführer des Grand Hotel Palace, eines Fünf-Sterne-Hotels in Thessaloniki, Griechenlands zweitgrößter Hafenstadt. 100 Festangestellte und viele Saisonkräfte arbeiten normalerweise in dem Haus, das 2004 eröffnet wurde und 265 Zimmer hat.
"Unser Hotel ist seit dem 19. März leergeräumt, drei Tage später haben wir unsere Türen geschlossen. Dabei deutete noch kurz vorher alles auf ein sehr gutes Jahr hin. Wir waren bis einschließlich Oktober ausgebucht, unsere Einnahmen waren im Februar höher als im Vorjahr.
Doch wegen der Coronakrise wurden große Veranstaltungen abgesagt, auch Konferenzen, die zu unserem Kerngeschäft gehören. Erst gab es es kurzfristige Absagen von Kunden, doch dann weiteten sie sich aus auf April, Mai und zuletzt gab es auch Absagen für den Juni. All unsere Kunden sind beunruhigt. Wir haben versucht, Veranstaltungen auf die Zeit nach August zu verschieben - aber dafür müsste die Krise bis dahin vorbei sein.
Auch unser gesamtes Investitionsprogramm liegt nun auf Eis. Wir hatten eigentlich Renovierungen für die nächsten Monate geplant. Sie sind abgesagt. Der Tourismus ist am Nullpunkt angelangt. Das ist beispiellos. Hotels wurden in der Geschichte Griechenlands nie geschlossen, nicht einmal während des Zweiten Weltkriegs.
Viele Hotelbetriebe sind durch Kredite und andere Verpflichtungen überlastet. Auch Deutschland und Großbritannien, unsere größten Märkte, befinden sich in einer düsteren Lage. Wir haben keine Ahnung, wann die Grenzen wieder geöffnet werden und wie es dann um die Psyche der Menschen und ihre finanzielle Situation bestellt sein wird. Wenn wir das Hotel wieder für Besucher öffnen, werden wir uns mit ganz praktischen Problemen konfrontiert sehen. Wie weit auseinander müssen die Frühstückstische stehen? Was muss alles desinfiziert werden? Was ist bei der Organisation von Konferenzen künftig zu beachten?
Ich gehe jeden zweiten Tag ins Hotel, um mich zu vergewissern, dass alles noch steht. Es gibt Videokonferenzen mit den Mitarbeitern der Reservierung und anderer Abteilungen. Wir versuchen, für die Zukunft zu planen. Eine Zukunft, die nicht wie die Vergangenheit sein wird. Meine Hoffnung: eine Rückkehr zur Normalität im Jahr 2021. Vielleicht mit niedrigeren Buchungen, Einnahmen und Preisen, aber zumindest werden wir wieder ins Geschäft kommen."
"Die Situation ist dramatisch"
Magda Valasaki, ist Eigentümerin der Villa Madeleine, einer Ferienanlage auf der westlichen Landzunge von Chalkidiki, der beliebten Urlauberhalbinsel im Norden Griechenlands. Die Studios mit einer Kapazität von 30 Betten liegen in einem Garten mit Blumenbeeten und Oleandersträuchern, in der Nähe gibt es Sandstrände.
"Normalerweise sind wir von Ostern an bis Juli ausgebucht und erhalten auch schon Reservierungen für die Zeit danach. Aber jetzt? Keine neuen Buchungen und die ersten Stornierungen für August. Reden wir nicht lange um den heißen Brei herum: Die Situation ist dramatisch. Einige Kollegen fürchten, dass sie nicht wieder öffnen werden.
Wegen der Ausgangssperre können wir noch nicht mal in die Ferienapartments, um notwendige Wartungsarbeiten durchzuführen - und das steht unserem Investitionsplan im Weg. Wir haben viel Geld für Renovierungen bezahlt, weil wir auf eine Fortsetzung des Tourismusbooms gewettet hatten. Doch jetzt rät auch noch EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen den Leuten, keine Urlaubspläne für den Sommer zu schmieden.
Und was, wenn die Hotels irgendwann wieder im Geschäft sind? Wer wird dann kommen? Wird es sicher sein, Touristen aus den betroffenen Ländern aufzunehmen? Viele kleine Hotels sind Familienbetriebe, die von älteren Menschen geführt werden, die es nicht gewohnt sind, Gäste aus dem Ausland zu empfangen.
Ich bin dankbar für die zahlreichen E-Mails und Nachrichten, die ich von Kunden erhalte. Eine Frau, die seit fünf Jahren zu uns kommt, schrieb mir, sie könne diesen Sommer nicht anreisen. Sie sagte aber: 'Hey, hör zu, wir werden kommen! Wir werden im September kommen!' Ich hoffe, wir werden dann hier sein, um sie willkommen zu heißen. Aber ich habe aufgehört, über den nächsten Tag nachzudenken. Zuerst hab ich das gemacht, aber es brachte mich an den Rand einer Depression. Was ich jetzt also sage, ist: Lasst uns gesund bleiben. Wie heißt es in dem berühmten Lied? 'Que sera, sera' - Was immer sein wird, wird sein."
"Die Saison ist verloren"
Nikos Chalkiadakis, 54, ist Besitzer der Cactus Beach Hotels auf Kreta. Das Resort mit Bungalows inmitten von Kakteen und üppigen Gärten liegt in der Nähe der Inselhauptstadt Heraklion. 30 feste Mitarbeiter sind hier beschäftigt, Deutsche sind die Hauptkunden.
"Wir waren zu 90 Prozent ausgelastet, doch jetzt ist alles storniert. Selbst wenn wir im Juli wiedereröffnen würden, würden die Einnahmen im Vergleich zum Vorjahr um 70 Prozent einbrechen. Ausgegangen war ich ursprünglich von Einnahmen in Höhe von 1,8 Millionen Euro. Jetzt werde ich nichts bekommen.
Das Problem: Griechenlands Wirtschaft hängt zu 25 Prozent vom Tourismus ab, doch bei uns auf Kreta reden wir eher von 50 Prozent, auf den Kykladen – Mykonos, Santorin und so – sind es sogar 75 Prozent. Auf Kreta arbeiten 125.000 Menschen als Saisonkräfte im Tourismus.