Donald Trump in der Corona-Krise: Alle Macht, keine Verantwortung
Donald Trump will die US-Bundesstaaten über die Lockerung der Corona-Einschränkungen entscheiden lassen. Doch zugleich attackiert der Präsident jene Gouverneure hart, die nicht schnell genug öffnen.
Einen Augenblick lang rätselten viele, als der Präsident in charakteristischen Großbuchstaben-Tweets zur Befreiung dreier Bundesstaaten aufrief. Minnesota, Michigan, Virginia - befreien?
Hatte Donald Trump nicht noch tags zuvor einen konzilianteren Ton angeschlagen, als er seine Richtlinien zur Aufhebung der Corona-Beschränkungen vorstellte? Hatte er den Gouverneuren der 50 Staaten nicht gerade erst zugerufen, dass sie über die schrittweise Wiederherstellung des öffentlichen Lebens entscheiden sollten? Nun aber forderte er die Befreiung der Bürger in drei Staaten vom Joch des Shutdowns.
Der mutmaßliche Grund für die Veränderung des Tonfalls trat schnell zutage: Der Präsident hatte offenbar Fox News geschaut. Nur zwei Minuten vor dem ersten Tweet hatte der Trump-treue, rechte Sender in einem Beitrag über Proteste gegen die Ausgangsbeschränkungen berichtet, die die demokratischen Gouverneure der drei Bundesstaaten erlassen hatten.
So viel Zickzack gab es selten
Der US-Präsident ist in der Coronakrise viel kritisiert worden: für das Herunterspielen der Gefahr, für mangelnde Koordinierung mit den Bundesstaaten, für wirre Kommunikation. So viel Zickzack und Widersprüchlichkeit wie in den vergangenen Tagen aber gab es selten.
Am Montag hatte Trump noch allumfassende Macht für sich beansprucht. Er allein, so die - verfassungsrechtlich zweifelhafte – Auffassung des Präsidenten, könne über das Ende der Beschränkungen und die Rückkehr zum regulären Leben und Wirtschaften entscheiden.
Nur Tage später verkündete er anlässlich der Präsentation seines Lockerungsplans, dass diese Entscheidung doch den Gouverneuren zufallen soll. Er werde jeden einzelnen von ihnen dazu bevollmächtigen, teilte Trump zwischenzeitlich mit. Und nun die Aufrufe zur Befreiung dreier demokratisch regierter Staaten und erneute Anfeindungen gegen den Gouverneur von New York, Andrew Cuomo, einen weiteren Demokraten.
Trumps Richtlinien sehen eine Aufhebung der Beschränkungen in drei Stufen vor. Eine Phase der leichten Lockerung, während der Ansammlungen von mehr als zehn Menschen weiter vermieden werden sollen. Eine zweite Phase, während der die Schulen wieder öffnen sollen. Die letzte Stufe schließlich sieht vor, dass Arbeitnehmer wieder ohne Einschränkungen an ihre Arbeitsplätze zurückkehren.
Bei der Vorstellung seines Plans wies Trump völlig zurecht auf die Unterschiede zwischen einzelnen Bundesstaaten hin. Verschiedene Teile des Landes sind unterschiedlich betroffen und auch unterschiedlich dicht besiedelt. Entscheidungen auf Bundesstaatsebene ermöglichen deshalb ein passgenaueres Vorgehen bei der Lockerung.
Allerdings beinhalten die Richtlinien keinen genauen Zeitplan. Nancy Pelosi, die demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, sprach von einem "unbestimmten und uneinheitlichen Dokument". Für Kritik sorgt aber vor allem die Tatsache, dass die Bundesstaaten selbst verantwortlich für ausreichende Testkapazitäten sein sollen. Experten halten diese Kapazitäten für unabdingbar, um künftige Ausbrüche zu vermeiden.
In einem Telefonat mit Vizepräsident Mike Pence, der die Corona-Task-Force des Weißen Hauses anführt, übten Berichten zufolge mehrere Senatoren scharfe Kritik daran, dass es der Trump-Regierung noch immer nicht gelungen sei, ausreichende Testkapazitäten zu schaffen. Angus King, ein unabhängiger Senator aus dem Ostküstenstaat Maine, sprach demnach von "Pflichtverletzung".
Mehrere Bundesstaaten wie Texas wollen schon in den nächsten Tagen mit der schrittweisen Aufhebung von Beschränkungen beginnen. In anderen Staaten wie New York soll der Shutdown bis mindestens Mitte Mai andauern.
Trump blickt auf die Wahl im November
Für viele Gegner des Präsidenten ist der Grund für seine Rufe nach "Befreiung" von Bundesstaaten und seine Attacken gegen Demokraten wie Cuomo oder Michigans Gouverneurin Gretchen Whitmer eindeutig: Trump blickt auf die Wahl im November.