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Protest gegen Abitur-Prüfungen in Deutschland: «Wie kann man nur so stur sein?»

16 апреля
19:41 2020

Ob sie wollen oder nicht - in der kommenden Woche müssen zahlreiche Abiturienten trotz Corona ihre Prüfungen schreiben, allen Petitionen zum Trotz. Viele fühlen sich ungerecht behandelt, bei anderen geht es um mehr.

Eigentlich soll der Schulbetrieb erst ab dem 4. Mai schrittweise wieder losgehen, aber für rund 350.000 Schülerinnen und Schüler gehen die Klassenzimmertüren bereits vorher auf: Sie werden zu ihren Abiturprüfungen in die Schulen bestellt. Schon ab diesem Montag stehen in Berlin die ersten Klausuren an, ab Dienstag in Schleswig-Holstein, im Mai und Juni geht es in anderen Bundesländern weiter. Unabhängig vom Shutdown, unabhängig von einer generellen Schulöffnung, nach welchem Modell auch immer.

Schon Ende März hatte die Kultusministerkonferenz (KMK) entschieden, dass die Abi-Prüfungen ebenso wie die Prüfungen für den Mittleren Schulabschluss (MSA) zwar teilweise verschoben, in diesem Schuljahr trotz Coronakrise aber auf jeden Fall geschrieben werden sollten, "wenn der Infektionsschutz dies zulasse". Am Mittwoch tagten Kanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten der Länder und gaben noch mal ausdrücklich grünes Licht dafür - obwohl der Widerstand gegen die Prüfungen immer stärker wird, quer durch die Republik.

"Viele von uns haben Angst"

Bereits einen Tag nach der KMK-Entscheidung im März hatten Abiturienten aus Hamburg eine Petition gestartet, in der sie fordern, die Abi-Prüfungen in diesem Jahr abzusagen. Stattdessen solle es deutschlandweit ein sogenanntes Durchschnittsabitur geben. Die Noten sollten aufgrund der Leistungen aus den vier vergangenen Halbjahren ermittelt werden.

"Viele von uns haben Angst. Unsere Familien geraten in Existenznot, und wir sind mit unseren Prüfungsvorbereitungen mittendrin", heißt es in der Petition. Nichts sei wie zuvor. Abgesagte Vor-Abiklausuren, chaotischer Onlineunterricht, Computer müssten mit Geschwistern und Eltern geteilt werden, dazu fehle der Austausch mit Mitschülern und Mitschülerinnen.

Anfangs wurde dieser Vorstoß eher belächelt, abgetan mit der Annahme, die Jugendlichen wollten wohl möglichst leicht an ihr Abi kommen. Inzwischen hat die Petition rund 150.000 Unterstützer, und es ist nicht die einzige.

Einige Dutzend Petitionen sind im Internet zu finden, die auf ein Durchschnittsabitur zielen, in Bayern ebenso wie in Berlin, Mecklenburg-Vorpommern oder Nordrhein-Westfalen, darunter auch eine Initiative von Abiturienten im besonders von Corona betroffenen Landkreis Heinsberg sowie der Bundesschülerkonferenz. Wirkung zeigen sie bisher nicht.

"Es steckt kein egoistischer Wunsch dahinter"

Lovis Danneck, 18, Abiturient an einem Kölner Gymnasium, versucht in diesen Tagen die Medien für das Thema zu gewinnen. Er will möglichst vielen Menschen erklären, welche Sorgen die Schülerinnen und Schüler umtreiben. "Bei den allermeisten steckt nicht der egoistische Wunsch dahinter, mit möglichst wenig Aufwand das Abitur zu bekommen", sagt er dem SPIEGEL am Telefon. "Aber unter diesen Bedingungen, die Prüfungen schreiben zu müssen, ist einfach unfair."

Der Unterricht sei wegen des Shutdowns wochenlang ausgefallen, sich den Stoff allein zu Hause anzueignen, nicht das Gleiche. "Das lässt sich auch nicht nachholen, wenn wir kurz vor den Prüfungen noch mal für einige Stunden in die Schule kommen dürfen", sagt Danneck. Kurzfristig hatte Nordrhein-Westfalens Kultusministerium angekündigt, die Schulen für alle Schüler, die Abschlussprüfungen ablegen, schon kommende Woche wieder zu öffnen: "für prüfungsvorbereitende Maßnahmen und Unterricht".

Danneck wird zum Beispiel in Biologie geprüft. Einen großen Teil des Stoffs, der in der Prüfung drankommen soll, habe er sich selbst beibringen müssen, auch weil die Lehrerin schon vor der Krise länger ausgefallen war. "Mir selbst fällt das eher leicht", sagt der 18-Jährige, "aber ich habe einen Computer, stabiles Internet, ein eigenes Zimmer und Eltern, die ich notfalls um Hilfe bitten könnte. Das ist nicht bei allen so."

Danneck sagt, er denke an einen Freund, der ebenfalls mitten in den Abitur-Vorbereitungen stecke, sich aber ein kleines Zimmer mit noch zwei jüngeren Geschwistern teilen müsse. "Wie soll der sich aufs Lernen konzentrieren?"

"Frustrierend, dass man nicht gehört wird"

Danneck ist anzuhören, wie wütend er ist, auch weil die Bedenken der Schülerinnen und Schüler in der Politik bisher wenig Beachtung finden. "Es ist frustrierend, dass man so überhaupt nicht gehört wird", sagt der 18-Jährige. "Ich verstehe nicht, wie man so stur an diesen Prüfungen festhalten kann. Wir sind doch keine Versuchskaninchen, bei denen die Kultusminister mal ausprobieren können, ob der Gesundheitsschutz funktioniert."

Miguel Gongora, Vorsitzender des Landesschülerausschusses in Berlin, sieht das genauso. Er sagt, um die Abi-Prüfungen zu verhindern, hätten sie es mit einem eindringlichen Appell an Bildungssenatorin Sandra Scheeres versucht, die Politikerin schließlich mit einigen Hundert E-Mails bombardiert und einen Brief an diverse Politiker, darunter die Kanzlerin, den Bundespräsidenten und alle Kultusminister verschickt. "Es melden sich täglich weinende, wütende und enttäuschte Schüler*innen bei uns, die erhebliche Nachteile bei ihrem Abschluss befürchten", heißt es in dem Schreiben.

Einige Politiker, Lehrerverbände und Gewerkschaften signalisierten zwar Unterstützung, aber nicht die Entscheidungsträger. Unermüdlich weist Gongora dennoch seit Wochen in Mitteilungen und Interviews auf die Sorge hin, sich bei den Prüfungen anzustecken, weil trotz allen Bemühens vielleicht doch nicht die nötigen Hygiene- und Abstandsregeln eingehalten würden.

Schülerinnen und Schüler fürchten, sich mit dem Coronavirus zu infizieren und dann andere anzustecken, etwa Eltern oder Großeltern, die über 60 sind oder unter Vorerkrankungen leiden. Einige Abiturienten gehörten selbst zu Risikogruppen, sagt Gongora. "Die haben Angst um ihr Leben."

"Recht auf körperliche Unversehrtheit"

Ein Beispiel dafür ist Phil Ladehof, 20, Abiturient in Schleswig-Holstein, und Rheumatiker. Er hat mit einer E-Mail an die Kanzlerin versucht, die Abiturprüfungen zu verhindern. Eine Antwort steht bisher aus. Ladehof schildert in der Mail seine persönliche Situation und argumentiert mit Artikel 2 des Grundgesetzes, dem "Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit". Er kämpft außerdem zusammen mit 19 anderen Abiturienten aus verschiedenen Bundesländern unter dem Hashtag #GerechteAbschlüsse2020 für ein Durchschnittsabitur.

Die Medikamente, die er regelmäßig nehmen muss, unterdrücken sein Immunsystem. In der Coronakrise gilt er damit als Risikopatient. Ladehof besucht die 13. Klasse einer Gemeinschaftsschule in Flensburg, für ihn stehen die Abi-Klausuren unmittelbar bevor. Schleswig-Holstein plant derzeit, ab dem 21. April als eines der ersten Länder die Prüfungen abzuhalten.

Eine radikale Kehrtwende - hatte sich doch ausgerechnet Schleswig-Holsteins Kultusministerin Karin Prien (CDU) Ende März öffentlich dafür starkgemacht, die Prüfungen komplett ausfallen zu lassen und ein sogenanntes Durchschnittsabitur nur auf Basis der Vornoten zu verleihen. Aber dann tagte die Kultusministerkonferenz (KMK), man sah sich zum Konsens verpflichtet und wollte an den Klausuren festhalten. Prien ruderte zurück.

Gleiche Chancen auf Studienplätze

Bildungssenatorin Scheeres in Berlin bekräftigte am Donnerstag noch mal, dass die Abi- und MSA-Prüfungen wie geplant stattfinden sollten. Los gehe es am Montag zunächst mit dem Fach Latein, zwei weitere Prüfungen folgten dann im Lauf der Woche, sagte Scheeres im Interview mit dem RBB-Inforadio. Scheeres rechtfertigt die Entscheidung vor allem damit, dass die Berliner Jugendlichen später im Wettbewerb um Studienplätze keinen Nachteil haben sollten.

Hätte etwa Berlin ein Durchschnitts-Abi zugelassen, Bayern aber nicht, wäre die Hochschulreife bei der Bewerbung für einen Studienplatz womöglich nicht an allen Unis anerkannt worden.

Auch in der Schülerschaft gibt es durchaus Stimmen, die für ein Abitur nach Plan plädieren. Jessica Schwarz beispielsweise, 18 Jahre alt und ebenfalls Abiturientin in Schleswig-Holstein, fordert, dass die Klausuren wie angekündigt starten. "Ich will die Chance haben, meinen Notenschnitt damit noch mal hochzuziehen", sagt sie am Telefon, "noch mal zeigen, was ich kann". Die "Coronaferien" habe sie genutzt, um zu lernen und sich auf die Prüfungen vorzubereiten, auch in der Hoffnung einen besseren Numerus clausus im Abi-Zeugnis zu haben.

"Ich brauche einen guten NC, um größere Chancen auf einen Studienplatz zu haben. So geht es auch anderen Abiturienten", sagt Schwarz. Sie hat deshalb ihrerseits eine Petition gestartet, in der sie fordert, dass die Prüfungen nicht abgesagt werden sollen. Die 18-Jährige findet die Durchführung auch deshalb vertretbar, weil die Prüfungen unter strengen Auflagen zu Sauberkeit und Abstandsregeln abgehalten werden sollen.

Strenge Auflagen: nur mit Handschuhen

So argumentieren auch die Kultusminister. Hessen hatte unter strengen Auflagen das Abitur bereits in Zeiten von Corona schreiben lassen. Das Kieler Kabinett legte unter anderem folgende Vorschriften fest:

  • Wer zur Prüfung antritt, muss sich vorher die Hände desinfizieren und versichern, dass er oder sie keine "respiratorischen Symptome" ausweist.

  • Zwischen den Abiturienten soll ein Abstand von zwei Metern eingehalten werden.

  • Lehrkräfte, die Aufsicht führen, sollen Handschuhe tragen und die Prüfungsbögen nicht anfassen.

Jugendliche, die wie Ladehof einer Risikogruppe angehören, sollen sich vorab bei der Schulleitung melden. So soll sichergestellt werden, dass der 20-Jährige das Schulgebäude durch einen gesonderten Eingang betreten darf. Seine Klausur soll er in einem gesonderten Raum getrennt von seinen Mitschülern schreiben können. Sein Arzt habe ihm empfohlen, während der Prüfung zur Sicherheit eine Schutzmaske zu tragen.

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